Obschon mit neuen, ungewohnten Reifen unterwegs konnten Henning Solberg und Ilka Minor beim WM-Finale in Wales auch nach vier Rallyes Pause wieder mit guten SP-Zeiten glänzen. Am Ende jedoch musste man wegen eines Benzin-Lecks aufgeben.
Als Ilka Minor quasi in letzter Minute in den Flieger nach Wales stieg, um dort mit Henning Solberg abermals ein WM-Comeback zu geben, befürchtete sie, dass es schwierig werden könnte: „Wir sind in Finnland unsere letzte Rallye gefahren – die anderen haben in der Zwischenzeit vier Rallyes absolviert. Zudem fuhren wir in Wales mit für uns komplett neuen Reifen – beim Shakedown konnten wir eigentlich nur fünf Kilometer fahren, denn auf dem ersten und dem dritten Run hatten wir einen Dreher. Wir wussten daher nicht, was uns im Wettbewerb erwarten würde.“
Zunächst wartete im Ford Fiesta World Rally Car ein seltsames Motorverhalten auf das norwegisch-österreichische Duo. Am Freitagvormittag habe sich „der Motor so angefühlt, als würde es Aussetzer geben“, berichtet Ilka Minor.
Am Nachmittag lief es bereits deutlich besser: „Die für uns unbekannten Reifen waren im trockenen beziehungsweise auftrocknenden Schotter viel besser einzuschätzen und so konnten wir eine viert- und eine fünftschnellste Zeit markieren. Das war beachtlich, denn die Zeiten lagen auch eng beieinander.“
Dritte Zeit auf SP 11 – Bestzeit auf der Superspecial
Am Samstagvormittag konnten sich Henning und Ilka weiter steigern: Auf der dritten Samstags-SP konnten die beiden mit der drittschnellsten Zeit glänzen, auf der kurzen Asphalt-Superspecial in einem Park war es dann besonders spannend: „Wir fuhren eine sehr gute Zeit – aber natürlich mussten wir warten, bis alle anderen gefahren sind. Als endlich alle durch waren, wussten wir: Geschafft! Bestzeit! Da gab es natürlich viel Freude und ein Handshake. Zumal zu diesem Zeitpunkt ja noch alle auf maximaler Attacke unterwegs waren.“
Und es hat „Peng!“ gemacht
Als man am Samstagnachmittag wieder zu der dritten SP kam, die Solberg/Minor am Vormittag auf Platz drei beenden konnten, waren die Hoffnungen natürlich groß, dass man dieses Kunststück womöglich wiederholen könnte. Doch dann wurden Henning und Ilka von einem lauten „Peng!“ aus ihren „Träumen“ gerissen: „Am Start der Prüfung, auf einer Geraden, ist einfach ein Reifen explodiert – beim Wegfahren hat es einfach ‚Peng!‘ gemacht. Wir sind nirgendwo angeschlagen, auch war der Reifendruck sicher nicht zu hoch. Jedenfalls fuhren wir die 13 Kilometer mit einem ‚Patschen‘ zu Ende – weil es sich um eine schnelle Prüfung handelte, haben wir mit 50 Sekunden nicht allzu viel Zeit verloren, da man hier auch mit ‚Patschen‘ ziemlich Stoff geben konnte.“
360 Grad Highspeed-Dreher
Vor der Nacht-Sonderprüfung am Samstagabend wurde der Reifen von Solberg und Minor gewechselt – auf der Prüfung gab es noch eine Schrecksekunde. Ilka berichtet: „Wir hatten einen Highspeed-Dreher – zum Glück war es draußen dunkel und wir haben nicht gesehen, wie nahe die Bäume an der Strecke standen. Es ist schon verwunderlich, wie cool Henning in einer solchen Situation reagiert: Während unseres 360 Grad-Drehers hat er bereits runtergeschaltet, sodass wir, sobald wir wieder in der korrekten Richtung gestanden sind, wieder weiterfahren konnten. So hat der Dreher beinahe keine Zeit gekostet.“ Im Service dann mussten die Mechaniker nach der Fahrt auf der Felge einige Reparaturen vornehmen, welche rechtzeitig fertig wurden.
Benzin-Leck & Nickerchen im Schalensitz
Am Sonntagmorgen sah es wieder einmal so aus, als könnten Henning Solberg und Ilka Minor auch bei ihrer sechsten WRC-Rallye wieder WM-Punkte an Land ziehen. Doch nach der zweiten Prüfung passierte folgendes: „Henning wollte eine andere Stoßdämpfereinstellung, wozu er aussteigen und an den Dämpfern ein paar Klicks einstellen musste. Dabei jedoch entdeckte er, dass wir ein Leck in der Benzinleitung hatten. Wir haben zwar versucht, es an Ort und Stelle zu reparieren, doch es handelt sich um eine High Pressure Leitung, die spezielle Bauteile benötigt, die wir nicht dabei hatten. Unsere notdürftigen Reparaturarbeiten waren nicht von Erfolg gekrönt – so mussten wir aufgeben.“
Als dann ein Team-Transit mit Hänger kam, stieg Ilka vorne bei den Mechanikern ein, während Henning im Rallyeauto blieb: „Er hat dort telefoniert und ein wenig geschlafen.“ Am helllichten Tag? Nachdem man mit 200 km/h durch den Wald geflogen ist? Ilka lacht: „Was soll er denn sonst machen? Henning kann sehr gut abschalten und ein Nickerchen einlegen.“
Die netten Finnen: Abschied von Mikko – hilfsbereiter Jari-Matti
Am Abend stand in einem für Wales geradezu typischen Pub die Abschiedsparty von Mikko Hirvonen auf dem Programm, nicht nur Henning und Ilka erwiesen dem langjährigen WM-Piloten die „letzte Ehre“, beinahe der gesamte WM-Zirkus zollte Hirvonen Respekt.
Ilka erzählt: „Bei der Feier wurde auch ein sehr nettes und lustiges Video gezeigt, in dem seine Ford-Teamkollegen und Mechaniker nicht ganz ernste gemeinte Dinge über Mikko sagten. Mikko ist einfach ein netter Kerl – und einmal mehr habe ich selbst erlebt, dass auch Jari-Matti Latvala aus diesem Holz geschnitzt ist. Ich mag Jari-Matti sehr. Als wir am Schluss mit offener Motorhaube dastanden, blieb er stehen und bot uns verbal seine Hilfe an. Die Finnen sind einfach lieb.“ Vielleicht zu lieb? Ilka sagt: „Das kann ich nichtwirklich sagen – ich habe auch mit Sebastien Ogier kein Problem, auch mit ihm kann man sehr nett plaudern.“
Ob dazu auch beim Saisonauftakt 2015, der Rallye Monte Carlo Gelegenheit besteht, wird sich weisen. Vielleicht, aber nur vielleicht, muss Ilka diesmal nicht mit dem letzten möglichen Flieger abreisen…
Am Montag um 12.30 Uhr hat Ilka Minor von Henning Solberg erfahren, dass die beiden beim Saisonfinale der Rallye-Weltmeisterschaft in Wales starten. Um 13 Uhr wurde der Flug gebucht und sogleich der Flughafen angesteuert.
Seit der Finnland-Rallye wurden in der Weltmeisterschaft bereits vier Läufe abgehalten, doch Henning Solberg konnte diese allesamt nicht bestreiten, auch wenn er stets versucht hat, die nötigen Sponsorengelder zu organisieren.
Auch im Vorfeld der Rallye Wales GB schien es zunächst so, als würde es doch nicht klappen. Ilka Minor erzählt: „Es war wieder unsicher. Ich habe dann am Sonntag bereits wieder alles weggepackt – doch dann hat Henning angerufen und gefragt, bis wann ich es wegen dem Flug wissen muss. Ich habe dann gemeint bis am Montag um 10 Uhr. Da hat er dann angerufen und gemeint, ich soll schauen, ob es noch einen späteren Flug gibt – letztendlich hat er um 12.30 Uhr angerufen und gesagt, dass wir fahren, um 13 Uhr habe ich den Flug gebucht, wieder gepackt und bin zum Flughafen gefahren. Ich hab Henning dann im Spaß einen Tritt in den Hinter angekündigt.“ Auch das M-Sport-Team musste kurzfristig reagieren – Ilka sagt: „Bei jeder anderen Rallye wäre so ein kurzfristiger Entschluss unmöglich, aber in Wales ist es möglich, da auch M-Sport nicht allzu weit entfernt ist.“
Neue Aufgaben
Untätig war Ilka Minor seit der Finnland-Rallye nicht: Zweimal standen Testfahrten mit der jungen italienischen Pilotin Tamara Molinaro auf dem Programm, zuletzt war Ilka bei der Waldviertel-Rallye als Fahrerbeauftragter im Einsatz, dessen Aufgabe es ist, zwischen den Piloten und dem Veranstalter bei Fragen zu vermitteln. Ilka Minor sagt: „Ich habe diese Aufgabe zum ersten Mal übernommen, weil mich Veranstalter Helmut Schöpf darum gebeten hat. Dabei habe ich viel Neues gelernt und auch einmal gesehen, wie es auf der ‚anderen Seite‘ ist.“
Am Montagabend kam Ilka Minor in Wales an, am Dienstagmorgen wird bereits mit der Besichtigung begonnen. Ob sie denn weiß, wie das Ford Fiesta WRC mit der Startnummer 16 aussehen wird? Ilka lacht: „Das weiß ich nie – es wäre eher überraschend, wenn das Auto bereits beklebt wäre.“
2011 auf dem Podium
So chaotisch das Management von Henning Solberg anmutet, so erfolgreich ist aber auch die sportliche Bilanz der bisherigen Zusammenarbeit mit Ilka Minor. Vor allem auch in Wales: Im Jahr 2011 landeten die beiden sogar auf Platz drei, besser war für Ilka nur noch Wales 2006, als sie mit Manfred Stohl Platz zwei belegen konnte.
Ist ein Podiumsplatz derzeit als Privatier überhaupt möglich? Ilka schüttelt den Kopf: „Nein, allein Volkswagen hat drei Werksautos im Einsatz. Ich denke, dass ein paar Top 5-Zeiten möglich sind, da Henning diese Rallye sehr gut liegt. Zudem gibt es einige neue Sonderprüfungen, was ein Vorteil für uns sein könnte. Außerdem ist für alle drei Tage Regen angesagt – da hat Sebastien Ogier keinen Nachteil, wenn er am ersten Tag als erster Wagen auf die Strecke muss. Wir werden einfach versuchen, unser Bestes zu geben und vor allem wieder ins Ziel zu kommen, was uns heuer schon oft gelungen ist.“
Tatsächlich konnten Henning Solberg und Ilka Minor bei allen fünf WM-Rallyes, die sie heuer bereits absolviert haben, ins Ziel kommen und auch stets WM-Punkte an Land ziehen. In der Weltmeisterschaft liegt Solberg auf Rang elf der Fahrerwertung, Ilka Minor belegt bei den Copiloten Platz zwölf.
Auch wenn das grüne Licht erst im allerletzten Moment kam, so freut sich Ilka Minor dann doch, beim Saisonfinale dabei zu sein: „Das ist immer schön, wenn man noch einmal alle Kollegen sieht und man beim Finale noch einmal präsent ist.“
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