Über E-Methanol zu E-Diesel und E-Kerosin

45. Internationales Wiener Motorensymposium: Eine strategische Chance für Europa? Notwendige Investitionen erfordern regulatorische Sicherheit und ausreichend Kapital.

Auf den Verkehr entfällt weltweit ein Drittel des Erdölverbrauchs. Die gute Nachricht: Global gibt es genug Potenzial für erneuerbare, CO2-neutrale Energien, um fossile Kraftstoffe wie Benzin und Diesel zu ersetzen. Aber das Potenzial ist weltweit ungleich verteilt, waren sich Expertinnen und Experten auf dem 45. Internationalen Wiener Motorensymposium einig.

„Der Anteil von Elektrizität als Energieträger im Transport wird massiv ansteigen“, sagte Rebecca Yates, Vizepräsidentin des Energiekonzerns BP. Am stärksten wird der Stromanteil im Pkw-Bereich sein. „Im Nutzfahrzeugbereich sehen wir einen größeren Energiemix.“ Der Mix reicht von verschiedenen Biokraftstoffen bis zu Wasserstoff. Besonders schwer ist es laut Yates, die Schiff- und Luftfahrt auf nichtfossile Kraftstoffe umzustellen.
Das Potenzial für erneuerbare Energien in Europa wird nicht reichen. Die besten Voraussetzungen für günstigen Ökostrom, der wichtigsten Basis für grüne Kraftstoffe, werden in Südamerika, Afrika und Australien gesehen. Dort sind die Herstellungskosten mit 1 bis 1,5 Cent pro Kilowattstunde deutlich niedriger als im Schnitt in Europa. „Europa wird ein Nettoenergieimporteur bleiben“, sagte David Bothe, Direktor beim Unternehmensberater Frontier Economics. „Wichtig sind daher“, so Arnd Franz, Vorsitzender der Geschäftsführung des Autozulieferkonzerns Mahle, „globale Partnerschaften und ein effizientes, nachhaltiges Vertriebssystem.“ Außerdem braucht es geeignete Speicherformen für Ökostrom, um ihn über lange Strecken zu transportieren, aber auch zu bevorraten. Dafür bieten sich Wasserstoff und darauf basierende synthetische Kraftstoffe, auch E-Fuels genannt, an.
Mit Direct-Air-Capture zu E-Methanol Thorsten Herdan, Präsident des E-Fuel-Herstellers HIF EMEA, präsentierte in Wien ein Vorzeigeprojekt, das in Chile mit Porsche als Investor und Abnehmer von E-Fuels aus Windstrom und Wasser grünen Wasserstoff erzeugt. Dieser wird mit CO2 zu E-Methanol umgewandelt. Das Kohlendioxid wird bei HIF künftig direkt aus der Luft abgespalten. Diese „Direct Air Capture“-Technologie wird etwa in den USA bereits umgesetzt und als CO2-Reduktionsbeitrag staatlich gefördert, berichtete Karl Dums, Nachhaltigkeitsexperte von Porsche.
Das E-Methanol lässt sich wie Erdöl per Schiff nach Europa transportieren und hier in bestehenden Raffinerien zu Kraftstoffen weiterarbeiten, von E-Diesel bis zu E-Kerosin. „Europa bietet sich eine strategische Chance“, war Herdan überzeugt. Dieses Wissen kann weltweit vermarktet werden, außerdem ist es eine Zukunftsabsicherung für Raffinerien nach dem Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen. Damit aber solche Produktionsanlagen rechtzeitig und in ausreichender Größe für das Erreichen der Klimaziele errichtet werden, braucht es regulatorische Sicherheit und langfristige Abnahmegarantien. Nur dann sind die Geldgeber bereit, die enormen dafür notwendigen Geldsummen zu investieren, so Herdan. E-Fuels werden künftig preislich durchaus konkurrenzfähig sein, zeigte sich Dums, Porsche, überzeugt. Denn auch fossile Kraftstoffe werden deutlich teurer werden. Ob jedoch die verfügbaren E-Fuel- und Biosprit-Mengen reichen werden, um auch Pkw-Bestandsflotten CO2-neutral zu machen, ist unsicher.

Enormer Kapitalbedarf für Energie-Infrastruktur in Europa
Wenig beachtet wurde bislang der enorme Kapitalbedarf für die Energie-Infrastruktur in Europa. Und das betrifft nicht nur den Ausbau von Ladestellen. Laut Berechnungen von Frontier Economics wären in Europa bis 2030 rechnerisch mehr als 80.000 Kilometer an Stromnetzausbau nötig. „Der Investitionsbedarf allein für Deutschland beträgt für die Stromnetze mehr als 35 Milliarden Euro pro Jahr“, berichtete David Bothe.

Traktor mit Brennstoffzellen-Antrieb
Großer Druck zur CO2-Reduktion besteht auch im Agrarbereich. Hier bieten jedoch aktuelle Probleme attraktive Chancen. So lässt sich aus dem heute vielkritisierten Methangas, das bei der Gülle von Rindern anfällt, grüner Treibstoff für Traktoren erzeugen, zeigte Friedrich Eichler, Technikchef bei CNH Industrial.
Klimaneutral kann aus Hackschnitzeln in Blockheizkraftwerken als Nebenprodukt „grüner“ Wasserstoff hergestellt werden. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt hat die TU Wien (Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik, IFA) den Prototypen eines Steyr-Traktors mit Brennstoffzellen-Antrieb (FCTRAC) entwickelt, der mit biogenem Wasserstoff betrieben wird. Gemeinsam mit dem Projektpartner Glock Technology, einer Tochterfirma des Waffenherstellers Glock, soll dieser Prototyp noch 2024 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Alles braucht seine Zeit: „Erneuerbare Energieträger werden in den nächsten 20, 30 Jahren einen Engpassfaktor darstellen“, sagte Helmut List, Vorsitzender der Geschäftsführung der AVL List in Graz. Deshalb sollte auch in Europa wie in anderen Erdteilen die ganze Vielfalt erneuerbarer Energien genutzt werden, um die Klimaziele zu erreichen.

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