Die Corona-Krise hat neben vielen anderen Lebensbereichen auch den Motorsport am falschen Fuß erwischt und uns vor Augen geführt, welche Dinge im Leben wirklich wichtig sind. Nach einer zwangsläufig verlängerten Winterpause von insgesamt 8 Monaten (!) fiebert Rene Binder in Le Castellet gerade dem Saisonstart der European Le Mans Series entgegen.
Auf dem „Circuit Paul Ricard“, der inzwischen sein 50jähriges Bestehen feiert, laufen heute und morgen die letzten Testvorbereitungen, bevor es dann am Wochenende hier offiziell in der European Le Mans Series los geht. Dein Bauchgefühl?
Rene Binder: „Das ist eigentlich sehr positiv. Testfahrten und Rennen sind natürlich immer zwei Paar Schuhe, trotzdem scheint unser Ligier-Michelin-Paket besser zu funktionieren, als es einige vielleicht erwartet hatten. Das Auto ist gut fahrbar und im Renntrimm sogar eher noch schneller als auf eine einzige Runde.“
Wer sind aus Deiner Sicht die Favoriten und wo siehst Du Dein Team als einzig verbliebenes, das mit Rennfahrzeugen der Marke Ligier antreten wird?
Rene Binder: „Es ist kein Geheimnis, dass die Oreca’s im LMP2 Bereich momentan Tonangebend sind und alle großen Teams auf dieses Fabrikat setzen. Von daher sehe ich wieder G-Drive und Idec Sport in der Favoritenrolle. Gleichzeitig kann sich unser Inter Europol Competition Team in dieser momentan exklusiven Partnerschaft mit der Traditionsmarke Ligier eine langfristige Perspektive erarbeiten. Ich denke da auch an die FIA Langstrecken WM, die ja komplett reformiert werden soll. 2020 kann also für uns alle ein interessantes Übergangsjahr werden. Und wir nehmen natürlich jedes Erfolgserlebnis gerne mit.“
Du hast Anfang Juni in Barcelona erstmals seit acht Monaten wieder einen Rennwagen bewegt. Wie anspruchsvoll war dieser Kaltstart für Dich?
Rene Binder: „Es ist wie mit dem Skifahren oder Schwimmen, das man auch nie verlernt: Das Rennfahren geht irgendwann einmal in Fleisch und Blut über, wobei ich selbst überrascht war, wie schnell man sich wieder an die ganzen Abläufe und an den Speed gewöhnt. Innerhalb von ein paar Runden war der Rost wieder abgefahren.“
In den letzten drei Monaten stand der Motorsport quasi still und unterhielt sein Publikum nur mehr mit Gerüchten, Skandalen und virtuellen Rennen. Wie schwer ist es für Dich als Rennfahrer, mit dieser Krise umzugehen?
Rene Binder: „Es war und ist natürlich weiterhin ein Rieseneinschnitt, der viele Teams und Fahrer auf eine harte Probe stellt, wobei ich beruflich viel zu viel zu tun habe, um ständig über die Krise im Motorsport nachzudenken. Meine Aufgaben bei Binderholz sind anspruchsvoller geworden und auch mit mehr Verantwortung verbunden. Einmal abgesehen davon, dass es sich jetzt auszahlt, nicht nur eine Ausbildung als Rennfahrer zu haben, bin ich aber auch fest davon überzeugt, dass die Corona-Krise eine Chance ist, den Rennsport in Europa wieder in einen halbwegs vernünftigen Kostenrahmen zu bringen. Warten wir einmal ab, was in den nächsten zwei, drei Jahren passieren wird. Die Karten werden gerade neu gemischt.“
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