Arbeitsmarkt-Expertin: „Fachkräftebedarf kann und muss für Wandel genutzt werden!“

Whitepaper zum Fachkräftebedarf in Österreich in Feldkirch vorgestellt. AK Präsident Bernhard Heinzle sieht AK Forderungen bestätigt: „Gute Arbeits- und Lebensbedingungen in Vorarlberg sind die Antwort auf den Fachkräftebedarf.“

Bildungsexpertin und Leiterin der „Stabstelle Fachkräfte“ in der Arbeiterkammer Wien, Gabriele Schmid, hat im Rahmen einer Pressekonferenz in der AK Vorarlberg das neue Whitepaper zum Fachkräftebedarf in Österreich vorgestellt. Inhalt ist eine Analyse der Ursachen für den steigenden Fachkräftebedarf, der Status der Quantifizierung und steuernde politische Maßnahmen aus Arbeitnehmer:innensicht.

In Österreich fehlen an vielen Stellen Facharbeitskräfte. Die Lücke reicht von Kindergartenpädagog:innen, über Fachkräfte für die Umsetzung der Energiewende wie Installateur:innen hin zu IT-Spezialist:innen und vielen anderen mehr. Zudem wird die Situation Jahr für Jahr angespannter, weil die Baby-Boomer-Generation zahlreich in Pension geht.
Der Teufel steckt jedoch im Detail. Auch wenn viele Betriebe Arbeitskräfte suchen, muss aufmerksam unterschieden werden. Die Begriffe „Arbeitskräfte“ und „Fachkräfte“ werden gerne begrifflich in einen Topf geworfen. Um zu wissen, in welche Qualifikationen investiert werden soll und wo Mitarbeiter:innen fehlen, ist diese Unterscheidung aber unabdingbar. Dass Fachkräfte mit speziellen Qualifikationen fehlen, rechtfertigt keineswegs unternehmerische Klagen über Arbeitskräfte, die unbefriedigende Arbeitsbedingungen nicht mehr schultern wollen.

Drei Gründe für den Fachkräftebedarf
In ihrer Analyse zeigt Arbeitsmarkt-Expertin Gabriele Schmid auch drei Gründe für den hohen Fachkräftebedarf auf:
1. Betriebe bilden immer weniger Lehrlinge aus und ziehen sich aus der betrieblichen Weiterbildung deutlich zurück – seit 2015 nahm der Anteil der weiterbildungsaktiven Unternehmen von 88 Prozent auf 79 Prozent ab.
2. Viele ältere Fachkräfte verlassen den Arbeitsmarkt in die Pension. Die Erwerbsbevölkerung wird zwischen 2018 und 2040 um in etwa 245.000 Personen schrumpfen – gleichzeitig könnten aber 450.000 Personen für den Arbeitsmarkt gewonnen werden, wenn Kinderbetreuung, Mobilität und andere Rahmenbedingungen bedarfsgerecht verbessert würden.
3. Digitalisierung und sozial-ökologischer Umbau gehen Hand in Hand und krempeln die Arbeitswelt grundlegend um – Umdenken hin zu erneuerbaren Energiesystemen, zu veränderter Mobilität, zu Sanierung und Wiederverwendung ist die Basis für den sozial-ökologischen Umbau. Dafür brauchen Arbeitnehmer:innen angepasste veränderte Qualifikationen, genauso wie für die Digitalisierung.

„AK Angebote helfen, Fachkräftebedarf zu lindern“
„Wir als Arbeiterkammer setzen uns seit jeher für gute Arbeits- und Lebensbedingungen in Vorarlberg ein – gerade auch als Antwort auf den Fachkräftebedarf“, stellt AK Präsident Bernhard Heinzle klar. „Mit unseren Angeboten wie der Wiedereinstiegshilfe Family!Works!, Qualifizierungsmaßnahmen und Förderungen wie dem Bildungszuschuss, dem AK Bildungsgutschein, der Bildungs- und Lehrlingsberatung und der FastLane-Plattform tun wir, was in unserer Macht steht, um den Fachkräftebedarf im Sinne unserer Mitglieder zu gestalten. Darüber hinaus analysieren wir mit unserem Standort-Rating regelmäßig die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt und zeigen Herausforderungen, aber auch Lösungen dafür auf.“
Zu den Maßnahmen der AK Vorarlberg zählt nicht zuletzt auch die Fördergesellschaft für den Arbeitsmarkt Vorarlberg (FAV), mit der die AK eine Koordinierungsstelle für die Herausforderung Fachkräftebedarf gegründet hat. Ziel ist es, die vielen Aktivitäten und Bedarfe am Arbeits- und Weiterbildungsmarkt zu vernetzen, Synergien auszuarbeiten und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden.

Drei Ansatzpunkte der AK Vorarlberg
Die Expert:innen der AK Vorarlberg sehen verschiedene Ansatzpunkte, um den Fachkräftebedarf künftig zu decken. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frauenerwerbsquote als größtes Potential und auf einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Ausweitung der Kinderbetreuung und Bildung ab dem ersten Lebensjahr. Ein weiterer Ansatz ist die niedrige Qualifikation als langfristiges Problem und als Chance: Mit einer Qualifizierungsoffensive mit Fokus auf niedrigqualifizierte Personen und deren Bedarfe (Existenzsicherung) kann ein großes Potential für den Fachkräftebedarf mobilisiert werden. Zuletzt muss auch die enorme Wohnkostenbelastung miteingerechnet werden, wenn es um den Wettbewerb um internationale Fachkräfte geht. Eine intensive Ausweitung der gemeinnützigen Miet- und Mietkauf Wohnungen in Vorarlberg ist alternativlos, um den enormen Preisdruck vom privaten Mietwohnungsmarkt zu nehmen.

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