Elektromobilität auf dem Bodensee ist im Aufwind

Experten der E-Charta der Int. Bodenseekonferenz informierten sich in der Kressbronner Speedwave-Werft über die Zukunft der Elektroboote für den Dreiländersee  

Elektrisch angetriebene und nahezu lautlos übers Wasser gleitende Freizeit- und Badeboote gehören zu den Raritäten auf dem Bodensee. Lediglich an Segelschiffen sieht man vermehrt kleine, elektrifizierte Außenbord-Flautenschieber. Das könnte sich bald ändern: Das in der Speedwave-Werft in Kressbronn-Gohren gebaute Aluboot SP 7.0 E-Solar ist mit Solardach, Batterien und Elektromotor autark unterwegs und benötigt so gut wie keine Ladestationen. Das hat jetzt die Träger der „E-Charta“ der Internationalen Bodenseekonferenz interessiert. 25 Vertreter von Gemeinden, Landkreisen, Verkehrsbetrieben, Schifffahrtsunternehmen oder Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich in der Marina Ultramarin über die Elektromobilität und nachhaltigen Bootsbau für Bodensee und Zürichsee informiert.  Der silbern glänzende Rumpf und das mit Photovoltaikmodulen bestückte Sonnendach der SP 7.0 E-Solar zeigen, wo die Zukunft für den Bootsbau am Bodensee liegt: Im Gegensatz zu herkömmlichen, aus Kunststoff und Laminat gefertigten Rümpfen, besteht der des Sieben-Meter-Schiffes aus Aluminium und ist damit sehr robust. Gepaart mit unkomplizierter Bedienung ist die SP 7.0 ideal für Vermietungen, Bootssharing und den Einsatz als Hotel-Shuttle. Aluminium ist um ein Vielfaches leichter als Stahl und wartungsfrei, weil es nicht lackiert werden muss. Vor allem aber ist es recycelbar und damit nachhaltig. „Wir wissen nach wie vor noch nicht so richtig, wie wir einen modernen, aus glasfaserverstärkten Kunststoffen geformten Rumpf am Lebensende eines Schiffes weiterverarbeiten können“, sagt Daniel Rück von der Speedwave-Schwestergesellschaft HL Schiffstechnik. „Man könnte GFK zwar als Füllstoff im Beton verwenden oder zum Verbrennen in Heizkraftwerken, dazu müssen wir aber erst die Schadstoffe rausfiltern“, erklärt Daniel Hadamovsky vom ebenfalls in den Speedwave-Räumen ansässigen Yachtwork Bootskontor. Er ist Experte für Decksbeläge aus synthetischem Material oder aus Kork. Zu den von ihm verarbeiteten alternativen Werkstoffen gehören auch die Flachsfasern, aus denen das Greenboats Skiff, der schnelle Sportsegler von Speedwave-Chef Walter Schildhauer, gebaut worden ist. Für extreme Stabilität der aus nachwachsenden Rohstoffen bestehenden Teile sorgen Bienenwaben aus Zellulosestruktur, die mit einer Laminatlage überzogen werden.
Der Ingenieur Walter Schildhauer hat mit Speedwave eine Forschungsstätte für zukunftsweisenden Bootsbau am Bodensee eingerichtet. Dort wurde die für 6 Passagiere ausgelegte SP 7.0 entwickelt, die es mit einem im Schacht unter der Liegefläche versenkten Benzin-Außenborder oder einem ebenfalls unter der Liegefläche eingebauten Elektromotor gibt. Die zwei Lithium-Eisenphosphat-Batterien 8,1 kWh der E-Solar sind am Stecker im Hafen in zweieinhalb Stunden wieder aufgeladen und liefern genügend Energie, damit das Boot unter Volllast mit bis zu 20 Stundenkilometern über den See fährt. Die Reisegeschwindigkeit beträgt 10 km/h. „Über das Solardach mit den Leichtbaukollektoren werden die Batterien innerhalb eines Sonnentages vollständig geladen“, sagt der für die Entwicklung des E-Antriebes verantwortliche Überlinger Ingenieur Eric Hueber. Obwohl das Schiff bereits auf dem Bodensee unterwegs ist, werde derzeit an der Verbesserung des Solardachs gearbeitet. Dieses soll mit neuartigen, am Solarforschungsinstitut ISC Konstanz entwickelten „Zebra-Modulen“ die Sonnenstrahlen und die vom Wasser reflektierten Strahlen einfangen und umsetzen. Eric Hueber und Walter Schildhauer sind stolz darauf, dass das Musterbeispiel der Elektromobilität auf den beliebten Wassersportrevieren Bodensee und Zürichsee von einem privaten Entwickler binnen eines Jahres schnell und unkompliziert zur Marktreife gebracht worden ist.
Dennoch ist eine großflächige Nutzung von elektrischen Antrieben auf den Bodensee reine Zukunftsmusik. Von den rund 58.000 registrierten Booten fahren 37.400 mit Verbrennungsmotoren über den See. Lediglich 1.215 Boote haben einen Elektromotor an Bord, wie vor den Teilnehmern des Treffens der E-Charta der IBK deutlich wurde. Wie bei der Elektromobilität auf der Straße sei das Potential auf dem See riesig. Aber technische Standards und gesetzliche Regelungen, etwa für die Batterien und die dazugehörende Lade-Technik, sind noch in weiter Ferne. So erklärt Clemens Meichle, Geschäftsführer der 1.500 Liegeplätze zählenden Ultramarin, die Meichle + Mohr Marina, dass man erst noch Ladestationen in den Häfen schaffen müsse. Die bisherigen Stromleitungen seien für das Laden der E-Boote zu schwach und nicht auf die hohen Kapazitäten ausgelegt. Nur die wenigsten Bootseigner seien bereit kräftige Aufpreise für ein elektrisch betriebenes, sieben Knoten schnelles und zehn Meter langes Boot zu zahlen, nennt Daniel Rück einen weiteren Hemmschuh.
Das Fazit des Treffens der E-Mobilitätsexperten: E-Mobilität auf dem Bodensee ist möglich und schon heute technisch und wirtschaftlich darstellbar. Das zeigt aktuell die Nachricht von den Bodensee-Schiffsbetrieben, die gerade den Bau von zwei elektrisch betriebenen Passagierschiffen planen. Das erste Schiff soll schon im Sommer 2022 im Überlinger See zwischen Uhldingen, der Insel Mainau und Meersburg verkehren. Wie es schon zu Lande mit den E-Autos funktioniert, ist es auch auf dem Wasser nötig, fördernd und regulatorisch Einfluss zu nehmen, um die Mobilitätswende voranzubringen. Steuerungsmöglichkeiten wären aus Sicht der Expertengruppe etwa Umstiegsprämien, vorrangige Liegeplatzvergabe für Boote mit E-Antrieben oder andere emissionsfreie Antriebsformen sowie Sharing-Ansätze und die Entwicklung eines einheitlichen Standards bei der Ladestrom-Abrechnung.

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