Gemeinsam mit der ÖBB Infrastruktur AG hat das Land Vorarlberg kürzlich untersucht, in welchem Ausmaß Vorarlbergs Schieneninfrastruktur während der nächsten Jahrzehnte gefordert sein wird. Auf Basis der verschiedenen Szenarien wurden folglich Prognosen zu ihrem Ausbau angestellt und darauf aufbauend ein Güterverkehrskonzept mit Maßnahmen zur Förderung des Güterverkehrs in Vorarlberg erstellt.
Christian Zoll, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Vorarlberg, begrüßt zwar die Auseinandersetzung mit dem Thema, gibt sich aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden: „Das Güterverkehrskonzept des Landes und die darin enthaltende Studie zur Flächensicherung ist ein wichtiger Schritt zur langfristigen Planung der Infrastruktur im Land. Als Grundlage der Prognose zum Ausbau der Schieneninfrastruktur für den Güterverkehr dienten jedoch Zahlen aus der Vergangenheit. Die Betriebe im Land hingegen wurden nicht befragt, wie viel sie künftig über die Schiene abtransportieren müssten. Das hat zur Folge, dass sowohl das Land als auch die ÖBB den Bedarf massiv unterschätzen. Es wird hier also von falschen Annahmen ausgegangen, die Rechnung zur Verlagerung auf die Schiene wird so nicht aufgehen.“ Deshalb hat die IV-Vorarlberg eigens eine Studie zur Überprüfung dieser Zahlen beauftragt, da in Absprache mit Industriebetrieben mangelnde Kapazitäten festgestellt wurden.
Mehr Kapazitäten für den Güterverkehr notwendig als Land und ÖBB feststellen
Die von der IV-Vorarlberg in Auftrag gegebene und von dem Experten für Verkehrswirtschaft und Eisenbahnwesen, Dr. Ralf Chaument, verfasste Studie analysiert anhand eines konkreten Beispiels – dem Güterverkehr südlich Dornbirns mit der Anschlussbahn Stöcken/Wallenmahd – die Herausforderungen an die Schieneninfrastruktur für den Güterverkehr und kommt zu dem Ergebnis, dass die Studie von Land und ÖBB zu falschen Schlüssen führe, die in der Praxis so nicht funktionieren würden. Die in der Studie prognostizierte Nachfrage für das Jahr 2040 wird bereits heute schon erreicht; das Land geht von einer deutlich niedrigeren Anzahl an Güterzügen aus als heute schon vorhanden ist. Außerdem würden die morgendlichen Stoßzeiten im Personenverkehr nicht berücksichtigt: Da dieser gegenüber dem Güterverkehr bevorzugt behandelt wird, würden diese den Güterverkehr verzögern und dessen Situation verschlechtern. Der stark steigende Bedarf der Betriebe zur Verladung von Gütern auf die Schiene würde in der Studie des Landes nicht berücksichtigt werden. Der Zusatzbedarf könne – mit den Angebotsverdichtungen im Personenverkehr ohne spürbaren Ausbau der Eisenbahninfrastruktur – gar nicht bewältigt werden.
Zahlen verdeutlichen Handlungsbedarf
Dr. Ralf Chaumet, Autor des Gutachtens, kann das anhand eines konkreten Beispiels vorzeigen: „In der Studie des Landes ist man auf der Strecke Wolfurt – Lauterach Süd für 2019 von insgesamt sechs Güterzügen in einem Tageszeitraum ausgegangen. Die Realität ist allerdings, dass bereits jetzt 27 Güterzüge pro Tag diese Strecke nutzen. Dieser Wert von heuer, 2022, übertrifft teils sogar die Prognosen für 2040. Man sieht also, dass es hier um alles andere als kleine Differenzen geht. Somit unterschätzt das Land den Bedarf für heuer bereits um das fast fünffache (!); was das für die Prognosen für 2040 bedeutet, wenn die Analysedaten so weit auseinanderliegen, braucht man wohl nicht näher zu erläutern.“ Anhand dieses Beispiels wird der Handlungsbedarf also mehr als deutlich, so Dr. Chaumet: „Meine Untersuchungen zeigen, dass die geplanten Kapazitäten des Güterverkehrs nicht ansatzweise dem Ziel einer Verlagerung auf die Schiene und den Bedürfnissen der Unternehmen entsprechen.“
Mehr Güter auf Schiene zu bringen wird verhindert
Hubert Rhomberg, Vizepräsident der IV-Vorarlberg, zieht daraus folgenden Schluss: „Alle Beteiligten haben dasselbe Ziel: nämlich den Gütertransport mehr und mehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, unsere Straßen zu entlasten und den Klimaschutz ernst zu nehmen. Dafür reicht unsere gegenwärtige Infrastruktur aber nicht aus, wie unsere Studie eindrücklich verdeutlicht. Es muss also investiert und ausgebaut werden. Wenn man aber den Bedarf dermaßen unterschätzt, kann dieser Plan nicht funktionieren.“
Rhomberg wünscht sich daher ein Umdenken des Landes und eine fundierte Analyse des Bedarfs, nämlich unter Einbeziehung der Vorarlberger Unternehmen und deren Anforderungen: „Die von uns erhobenen Zahlen zeigen auf, wie viel Bedarf es im Industriegebiet Wallenmahd gibt. Wir wissen allerdings auch von anderen Bereichen im Land, in denen der Bedarf signifikant höher ist als die tatsächlichen Möglichkeiten es zulassen. Bereits jetzt wollen Unternehmen mehr Güter von der Straße auf die Schiene verlagern, können es aber nicht. Unsere Betriebe wissen am besten, wie hoch der Transportbedarf derzeit ist und wie er sich weiterentwickeln wird. Daher braucht es eine neuerliche Analyse, gemeinsam mit den Vorarlberger Betrieben, um den künftigen Infrastrukturausbau an den tatsächlichen Bedarf anzupassen und die erforderliche Qualität im Güterverkehr zu erreichen.“
Sicher sei jedenfalls die Notwendigkeit eines Gleisausbaus. Rhomberg dazu: „Wir wissen schon jetzt, dass wir so schnell wie möglich die durchgehende Dreigleisigkeit von Bregenz bis Feldkirch für einen qualitativ hochwertigen Güterverkehr brauchen. Einige Ausbauten müssen deshalb in einem Stufenplan vorgezogen werden, um einen funktionierenden Güterverkehr zu gewährleisten. Mittelfristig muss auch ein viertes Gleis im Rheintal folgen, nur so gelingt die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene.“
Sei der tatsächlich höhere Bedarf vom Land erkannt, gehe es um die schnellstmögliche Sicherung von Flächen, so Rhomberg: „Um der tatsächlichen Nachfrage nach Schieneninfrastruktur gerecht zu werden, müssen vor allem die notwendigen Flächen für den Ausbau von Gleisen rasch ausgewiesen und gesichert werden. Nur so kann das Land zügig mit den für den Güterverkehr notwendigen Maßnahmen beginnen. Die Vorlaufzeit für den Gleisbau ist sehr hoch, deshalb braucht es hier auch zügiges und entschlossenes Handeln seitens der Landesregierung.“
Rhomberg erwarte sich jedenfalls auch, dass sich die Landesregierung dafür einsetze, dass die Bevorzugung des Personenverkehrs im Bund hinterfragt werde: „Derzeit muss ein Güterzug stehen bleiben, wenn ein Personenzug verspätet ist und die vorhandene Gleise benötigt. Unter anderem das hat zur Folge, dass ein Personenzug nach Wien weniger als sieben Stunden benötigt, ein Güterzug jedoch mehr als zwei Tage! Ein LKW schafft die Strecke übrigens in weniger als acht Stunden. Es ist für Unternehmen also sehr unattraktiv, ihren Gütertransport von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Unter den Konsequenzen leiden aber nicht nur die Betriebe, sondern wir alle: Einerseits schadet das dem Klima, andererseits verstopft es unsere Straßen. Wir müssen den Mut haben, diese Regelung, das der Personenverkehr gegenüber dem Güterverkehr immer Vorrang hat, zu hinterfragen, wenn wir es mit der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ernst meinen.“
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