Vorarlberg zählt zu den wirtschaftlich stärksten Regionen Europas. Hohe Gewinne aus unternehmerischer Tätigkeit sowie niedrige Ertragszinsen für Finanzanlagen haben in den vergangenen 15 Jahren die Nachfrage nach alternativen Investitionsmöglichkeiten stark steigen lassen. Unbebaute und bebaute Grundstücke sowie Wohnungen stehen ganz oben auf der Liste der Begehrlichkeiten. Leidtragende dieses unkontrollierten Zusammenkaufs von allen am Markt angebotenen Investitionsmöglichkeiten sind die Arbeitnehmer:innen. Sie können aus ihrer unselbstständigen Erwerbstätigkeit heraus Eigentum längst nicht mehr finanzieren.
So wurde aus dem Land der Eigentümer – der „Hüslebauer“ – notgedrungen ein Land der Mieter. Das Grundbedürfnis Wohnen können sie nur noch unter massiven Abhängigkeiten abdecken. Die Politik hat diese Entwicklung nicht verschuldet. „Allerdings ist der Landespolitik der Vorwurf zu machen, wenig bis gar nichts dagegen unternommen zu haben“, betont AK-Direktor Rainer Keckeis. Auch der zaghafte Versuch mit den Änderungen im Grundverkehrs- und Raumplanungsgesetz gegenzusteuern, ist 2019 auf der ganzen Linie gescheitert, weil damit letztlich wiederum nur die Finanzinvestoren und Wohnbauträger privilegiert wurden. Die Forderungen der Vorarlberger Arbeiterkammer wurden nur teilweise eingearbeitet, „erhebliche Eingriffe in das Grundverkehrsrecht hat das Land mit dem Hinweis auf europa- und verfassungsrechtliche Schwierigkeiten von vornherein abgelehnt“, so Keckeis.
Die Initiative V hoch drei erarbeitet ausgehend von zahlreichen Fehlentwicklungen im Land seit 2017 Vorschläge für eine gemeinwohlorientierte Landesentwicklung. Die Konzentration des Grund- und Wohnungseigentums hat sich jedoch massiv weiterentwickelt. Investoren kaufen ganze Wohnanlagen bereits im Stadium des Bauverfahrens. „Für die junge Generation wird Wohnungseigentum immer unerschwinglicher. Ganz im Gegensatz zur Zielsetzung des Grundverkehrsgesetzes, welches eine möglichst breite Streuung des Eigentums postuliert“, beklagt Dipl.-Ing. Markus Aberer: „Aus dieser Schieflage heraus muss der Instrumentenkoffer mit wirksamen weiteren Anwendungen gefüllt werden.“
Deshalb beauftragte die AK Vorarlberg Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger, in einer Studie den tatsächlichen gesetzlichen Spielraum des Landes Vorarlberg in Fragen des Grundverkehrs- und der Raumordnung auszuloten. Das Ergebnis: Der Verfassungsjurist bringt klar zum Ausdruck, dass das Land sehr wohl weitgehende Möglichkeiten hat, den Grundverkehr mit unbebauten und bebauten Grundstücken einzuschränken bzw. mit der von der AK geforderten Bedarfsprüfung Spekulationsgeschäfte mit Grund und Boden als Finanzanlage gänzlich zu unterbinden.
Leistbares Wohnen als Raumordnungsziel
Als erstes müsste das Land Bußjäger zufolge im Raumplanungsgesetz leistbares Wohnen als Raumordnungsziel festschreiben, was bis heute nicht geschehen ist. Dann stünde der Einführung eines Genehmigungsmodells nichts mehr im Wege, zumal andere Instrumente offenkundig nicht annähernd dieselbe Wirkung erzielen können. So reicht der Spielraum des Landesgesetzgebers nicht aus, um eine Leerstandabgabe so hoch einzuführen, dass sie wirklich Wirkung hätte. Der Salzburger Entwurf sieht höchstens 780 Euro im Jahr vor, das bezahlen die Eigentümer aus der Portokassa.
Im Übrigen lässt sich das Raumordnungsrecht der Studie zufolge nur noch bedingt verschärfen. Strengere Restriktionen wären Bußjäger zufolge allerdings im Bereich der Ferienwohnungen noch denkbar.
Kauf nur bei Bedarf genehmigen
Das Genehmigungsmodell dagegen hätte Kraft. Die AK fordert deshalb, dass unbebaute und bebaute Grundstücke künftig nur mehr dann gekauft werden dürfen, wenn auch tatsächlich ein Bedarf für die Deckung eines Wohnbedürfnisses nachgewiesen wird: Bewilligung nur mehr bei Bedarf. Die an den Prinzipien des landwirtschaftlichen Grundverkehrs orientierte Bedarfsprüfung soll gewidmete Betriebsgebiete nicht umfassen.
„Eine solche Bedarfsprüfung könnte“ Dir. Rainer Keckeis zufolge „zeitlich befristet erfolgen und sollte nur für die Ballungsgebiete des Rheintals und des Walgaus eingeführt werden.“ Der Vorsorgekauf von Familien für ihre Kinder soll weiterhin möglich sein, wobei in diesen Fällen die Bedarfsprüfung den bestehenden Vorbesitz und die Anzahl der Kinder berücksichtigt.
„Der Bedarf im Sinne der AK ist bei natürlichen Personen immer dann gegeben, wenn noch kein Eigentum an einem Grundstück oder einer Wohnung besteht oder aber – wie bei der Wohnbauförderung – unter Aufgabe des bisherigen Eigentums ein neuer Kauf erfolgen soll“, erklärt Keckeis.
Junge Familien nicht benachteiligen
Nicht gewünscht ist nach Ansicht der Arbeiterkammer eine strenge Handhabung der Bebauungspflicht, weil junge Familien zumeist schon das Problem haben, einen Baugrund zu finanzieren. Auch beim Vorsorgeerwerb für Kinder macht eine zeitliche Bebauungsvorgabe wenig Sinn.
Sehr wohl aber sollten in einem neuen Grundverkehrsrecht strenge Bestimmungen hinsichtlich der Prüfung bereits bestehender Rechte der Familienmitglieder an Grundstücken, Wohnungen, etc. eingeführt werden, um Umgehungshandlungen zu unterbinden. Alle Rechtserwerber müssen demnach angeben, ob und in welchem Ausmaß sie bereits Rechte an Baugrundstücken und Wohnungen haben bzw. ob sie über Stiftungen, Fonds und andere Gesellschaften – und sei es über Firmen-Konstrukte – an Grundstücken oder Wohnungen beteiligt sind. So ist es in den letzten Jahren – nicht zuletzt auch wegen der Umgehungsmöglichkeit der Grunderwerbssteuerpflicht – üblich geworden, dass auch vermögende Privatpersonen eigene Immobiliengesellschaften gründen.
Wenn also eine juristische Person als Käufer auftritt, ist dessen Bedarf naturgemäß nicht an dessen Wohnbedarf, sondern an einem konkret vorliegenden Projekt zu messen, das innerhalb von drei Jahren umgesetzt wird. Diese Voraussetzung für den Kauf von bebauten und unbebauten Grundstücken durch eine juristische Person sollte zudem durch eine spürbar hohe Strafe bei Zuwiderhandeln und der zwangsweise Rückabwicklung bei Nichteinhalten der Vorgaben abgesichert werden.
Strenge Bedarfsprüfung und Preisdämpfung
Für Gesellschaften wie auch natürliche Personen, die im Land Vorarlberg bereits im Besitz von mehr als 10.000 Quadratmeter bebautem oder unbebautem Baugrund sind, ist ein Bedarf nach Ansicht der AK Vorarlberg nicht mehr gegeben, eine diesbezügliche Prüfung erübrigt sich. Die bisher bestehende Ausnahme der Fünf-Hektar-Regel als Obergrenze für gewerbliche Bauträger muss daher abgeschafft werden.
Während landwirtschaftliche Grundstücke nur zum ortsüblichen Preis verkauft werden dürfen, ist die Preisbildung für bebaute und unbebaute Grundstücke derzeit dem freien Markt überlassen. Nach Ansicht der AK wäre es wünschenswert, wenn künftig auch Baugrundstücke nur noch zum ortsüblichen Preis verkauft werden dürfen.
Einrichtung des Vorarlberger Bodenfonds
Dipl.-Ing. Markus Aberer fordert seitens der Initiative vau I hoch I drei das Land noch einmal auf, endlich einen Vorarlberger Bodenfonds zu errichten. Dieser Fond kauft Grundstücke und gibt sie bedarfsorientiert und nach Absprache mit der Standortgemeinde an gemeinnützige Wohnbauträger oder Gewerbetriebe weiter. „Ein fertiges Konzept liegt seit Monaten im Landhaus“, beteuert Aberer. „In Tirol arbeitet ein solcher Bodenfonds seit 25 Jahren(!) höchst erfolgreich.“
Mobilisierung von gewidmeten und nicht bebauten Grundstücken
Grundeigentümer lukrieren monatliche Wertsteigerungen, den Gemeinden laufen die Kosten für die Erschließung und den Erhalt der Infrastruktur davon. Deshalb wäre ein jährlicher Erschließungsbeitrag durch die Grundeigentümer ein Gebot der Fairness: Schließlich müssen Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Sport- und Grünanlagen gebaut und erhalten werden. Andere Bundesländer haben diese Beiträge längst eingeführt und wurden vom Verfassungsgerichthof bestätigt. Auch die Einführung eines Kanalerhaltungsbeitrags für gewidmete und nicht bebaute Grundstücke ist auf landesgesetzlicher Basis möglich.
Aberer fordert darüber hinaus, dass Gemeinden land- und forstwirtschaftliche Grundstücke ohne Bewilligung erwerben können. „Die Gemeinde benötigt solche Grundstücke ständig insbesondere für Tausch von Grundstücken aller Art.“ Bei Grundstücken, die für die Entwicklung der Dorf- und Stadtzentren von hervorragender Bedeutung sind, sollte den Gemeinden ein Vorkaufsrecht zukommen.
Mehrwertabschöpfung
In der Schweiz wird beim Verkauf einer Liegenschaft der Mehrwert abgeschöpft und von den Kantonen zum Erwerb strategisch wichtiger Grundstücke verwendet. Der Bund hat den Mindestsatz der Abschöpfung für alle Kantone auf mindestens 20 Prozent des Verkaufspreises festgesetzt. Die meisten Kantone haben den Wert höher angesetzt; der Kanton Basel-Stadt etwa bei 50 Prozent. Die Schweiz, die ja immer unser föderalistisches Vorbild war, bietet hier lange schon ein taugliches Modell.
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