Erlkönige fallen den meisten nur wegen ihrer auffälligen Tarnfolien auf. Aber wozu eigentlich dieser ganze Aufwand? Dahinter steckt mehr als nur eine farbenfrohe Camouflage. Erlkönige von Škoda lassen nur vage Rückschlüsse zu, was sich unter der Folie versteckt. Das ist notwendig, da Prototypen von neuen Modellen des tschechischen Herstellers lange vor Markteinführung bis zu zwei Millionen Testkilometer unter Praxis-Bedingungen zurücklegen. Häufig findet die Erprobung dabei vor allem im öffentlichen Straßenverkehr statt. Um das Design sowie die Details an den neuen Fahrzeugen vor neugierigen Blicken und unerwünschten Fotos zu schützen, werden sie mithilfe von Tarnmustern optisch verfremdet.
Bevor Škoda der Weltöffentlichkeit ein neues Modell präsentiert, verbringen Prototypen tausende Stunden auf Prüfständen sowie in Klimakammern und spulen bis zu zwei Millionen Testkilometer ab. Der Erprobungsmarathon auf dem Weg zur Serienreife findet dabei auf allen Kontinenten statt, schließlich muss das Serienfahrzeug später bei unter minus 30 Grad Celsius genauso zuverlässig funktionieren wie bei weit über plus 40 Grad Celsius. Das anspruchsvolle und umfangreiche Testprogramm wird daher bei sengender Hitze, hoher Luftfeuchtigkeit und auf staubigen Schlechtwegstrecken ebenso absolviert wie bei arktischen Temperaturen, im Schnee und auf eisigen Pisten. Und natürlich im öffentlichen Straßenverkehr.
Florian Weymar, Leiter Entwicklung Gesamtfahrzeug bei Škoda, erklärt: „Neben dem eigentlichen Zweck der Tarnung sind natürlich die Erfordernisse des öffentlichen Straßenverkehrs zu beachten. Deshalb muss jeder Prototyp beispielsweise über funktionierende Blinker und Bremsleuchten verfügen, sowie über alle Sensoren, unabhängig von der Tarnung oder Verfremdung des Designs. Außerdem müssen Testfahrer und Ingenieure während der Fahrt ihre Aufgaben an Bord wahrnehmen können. Daher darf etwa die Kühlluftzufuhr in der Regel nicht beeinträchtigt und die Lüftungsdüsen dürfen nicht abgeklebt sein. So lassen die ermittelten Messergebnisse Rückschlüsse auf die Daten des tatsächlichen Serienfahrzeugs zu. Im Innenraum ist es wichtig, dass während der Fahrt jederzeit der Blick auf die Instrumente und der Zugriff auf wichtige Bedienelemente möglich ist.“
Spannung bis kurz vor der Premiere
Um die Prototypen vor den neugierigen Blicken von Journalisten, Fotografen und Wettbewerbern zu schützen, werden sie sorgfältig getarnt. Denn nur so lassen sich technische Innovationen, neue Design-Merkmale und clevere Details verbergen. Selbst den Škoda-Schriftzug oder das Markenemblem sucht man an den Erlkönigen des Herstellers vergeblich. Besonders interessant für Späher mit Kamera oder Smartphone sind optisch charakteristische Teile, Konturen oder Karosseriepartien wie die Scheinwerfer, der Kühlergrill oder das Heck. Daher werden sie besonders sorgfältig abgedeckt oder teilweise mit Anbauten verfremdet. Tarnmuster verschleiern zudem Konturen und Linienführung der Karosserie, selbst die Seitenscheiben sind teilweise beklebt, damit der Verlauf der Fensterlinie nicht zu erkennen ist.
Ähnliches gilt für den Innenraum. Auch ein bereits seriennah gestaltetes Interieur wird vor den Objektiven der Fotografen abgeschirmt, denn auch ein Testträger parkt ab und zu in der Öffentlichkeit, etwa an einer Tankstelle. An Bord des Erlkönigs kommen meist blickdichte Vliesstoffe zum Einsatz, die Details wie Cockpit, Instrumententafel, zentrales Display, Infotainmentsystem, Mittelkonsole, Bedienelemente oder Lüftungsdüsen bei Bedarf einzeln verdecken. Vor der Weiterfahrt lassen sie sich aber mit wenigen Handgriffen wieder entfernen. Diese aufwändigen, umfangreichen Tarnmaßnahmen betreibt Škoda bis zur offiziellen Vorstellung eines neuen Modells und sorgt damit bis zum Schluss für Spannung bei Kunden und Vertretern der Fachpresse.
Camouflage: Vom Erlkönig zum Kunstobjekt
Bei Škoda kümmern sich Tarnspezialisten um den Entwurf und die Entwicklung der Tarnmuster. Dabei sind der Phantasie und der Kreativität der Experten kaum Grenzen gesetzt. Sie spielen mit Mustern, 3D-Effekten und Farbkontrasten, um den Betrachter optisch zu täuschen. Manchmal verstecken sie sogar Botschaften in der Tarnung, wie einen Hashtag des Twitter-Accounts @skodaautonews. Die fertigen Tarnfolien werden in mehrstündiger Handarbeit am Fahrzeug angebracht.
Für besondere Anlässe entwickeln die Tarn- in Zusammenarbeit mit den Marketingspezialisten von Škoda ganz spezielle Ideen. Auf der Schlussetappe der Tour de France 2016 rollte beispielsweise das SUV Kodiaq vor seinem Serienstart in einer rot-grau-schwarzen Camouflage-Folie öffentlichkeitswirksam als Führungsfahrzeug des großen Tour-Trosses über die Champs-Elysées. Die vierte Generation des Škoda Octavia präsentierte sich 2019 kurz vor ihrer Weltpremiere auf den Straßen von Prag und Mladá Boleslav in einer speziellen Bicolor-Tarnfolie in Gelb und Orange und spielte mit Škoda-Fans „Catch me if you can“. Wer seine Fotos der getarnten Fahrzeuge bei Facebook, Twitter oder Instagram hochlud, konnte eine exklusive Einladung zur Weltpremiere in Prag gewinnen. Bei Prototypen des späteren Scala setzte Škoda auf ein weiß-blaues Strichmuster.
Škoda Enyaq iV mit grün-weiß-grauem Tarnkleid
Aktuell ist im Umkreis des Unternehmenssitzes in Mladá Boleslav manchmal ein Prototyp des Škoda Enyaq iV in seinem Tarnkleid mit grün-weiß-grauen Facetten und dreidimensionalen Elementen unterwegs. Die Tarn-Spezialisten waren insgesamt 120 Stunden damit beschäftigt, das Tarnkonzept des ersten rein elektrischen SUV von Škoda entsprechend zu entwickeln und verarbeiteten für seine Tarnung ca. 18 Quadratmeter Folie. Der Škoda Enyaq iV wird noch in diesem Jahr enthüllt. Zeit zum Ausruhen haben die Tarnspezialisten jedoch kaum, denn bis Ende 2022 werden insgesamt zehn Modelle der elektrifizierten Škoda iV-Familie vorgestellt.
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