Wintersport abseits der gesicherten Pisten

Leitlinien für eine gelungene Wintersaison

Die bevorstehenden Feiertage werden viele Vorarlbergerinnen und Vorarlberger für Ausflüge in Vorarlbergs winterliche Bergwelt nutzen. All jene, die abseits des gesicherten Skiraums im Gelände unterwegs sind, hat Sicherheitslandesrat Christian Gantner mit den heimischen Alpinorganisationen und der Initiative „Sicheres Vorarlberg“ am Mittwoch (23. Dezember) zur Vorsicht aufgerufen. Präsentiert wurde dazu passend der gemeinsam erarbeitete Leitfaden zum richtigen Verhalten im freien Skiraum. „Ich bitte eindringlich darum, abseits der Pisten risikobewusst und defensiv unterwegs zu sein. Lawinengefahr bedeutet immer auch Lebensgefahr“, verdeutlichte der Landesrat.

Mit dem Leitfaden wollen die Verantwortlichen – Land und Gemeinden, die Initiative „Sicheres Vorarlberg“ sowie die Vorarlberger Alpinorganisationen mit der Bergrettung Vorarlberg, der Alpinpolizei, dem Alpenverein Vorarlberg, dem Bergführerverband Vorarlberg und Naturfreunde Vorarlberg – steigenden Unfallzahlen entgegenwirken.

Risiken und Gefahren erkennen
In der aktuellen Krisensituation sei dies besonders nötig, verwies Landesrat Gantner auf den boomenden Bergsport. Der Zuwachs an Bergsportlerinnen und -sportler fällt heuer besonders stark aus. Dieser Trend war bereits im Sommer beim Wandern und Mountainbiken erkennbar. Laut Verkaufszahlen von Skitourensets, Schneeschuhen und Langlaufskiern und dem ersten Ansturm auf die frisch verschneiten Berge setzt sich der Trend auch im Winter fort. Damit die Freude am besonderen Naturerlebnis nicht tragisch endet, sei es wichtig, die Gefahren im alpinen Raum zu erkennen und Risiken richtig einzuschätzen, bekräftigte der Landesrat. Diesbezüglich erinnerte er an die Serviceangebote, die Wintersportlern wie Schitourengehern, Schneeschuhwanderern, Freeridern und Snowboardern hierzulande zur Verfügung stehen.

Lawinenauslösung vermeiden
Tagesaktuelle Lageberichte über die Schnee- und Lawinensituation liefert regelmäßig der Lawinenwarndienst des Landes Vorarlberg. Aktuelle Informationen können online unter www.vorarlberg.at/lawine sowie über SMS, Newsletter oder die App Snowsafe kostenlos bezogen werden. Der tägliche Lawinenlagebericht (deutsch und englisch) wird im Regelfall bis 7.30 Uhr veröffentlicht. Sicherheitsreferent Christian Gantner empfiehlt allen Wintersportlerinnen und Wintersportlern dieses Serviceangebot zu nutzen: „Es kann lebensrettend sein“. Andreas Pecl vom Lawinenwarndienst ergänzte: „Trotz modernster Ausrüstung muss die Vermeidung einer Lawinenauslösung an erster Stelle stehen – daher sind Information über die aktuelle Lawinengefahr, risikobewusstes Verhalten im Gelände und auch ab und zu Verzicht sehr wichtig“.

„Jede Sekunde zählt“
Im Unglücksfall spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. „Bei der Lawinenverschüttung zählt jede Sekunde. Die Überlebenswahrscheinlichkeit fällt nach 15 Minuten eklatant ab. Aus diesem Grund ist eine vollständige Notfallausrüstung und der jährlich geübte Umgang mit der Notfallausrüstung Pflicht“, betonte Bergrettungs-Landesleiter Martin Burger.
Viele Lehrmittel zum Thema „Sicher Schitouren“ stellt der Alpenverein bereit. „Genauso wichtig ist aber Praxis und das laufende Üben mit den technischen Hilfsmitteln“, sagte Andreas Schmidt vom Alpenverein Vorarlberg: „Nutzen Sie die Möglichkeit, bei Vereinstouren oder erfahrenen Tourengehern mitzugehen und fragen Sie sie ‚ein Loch in den Bauch‘. Machen Sie LVS- oder Sondierübungen im freien Gelände. Lesen Sie immer den Lawinenlage- und den Wetterbericht und vergleichen Sie die Situation im Gelände damit. So können Sie sich bald zu einem selbständigen Tourengeher entwickeln.“ Sobald die Covid-Verordnungen es zulassen, werden die Alpenvereinsgruppen ihr Schitourenprogramm wieder aufnehmen.
„Sicherheit kann nur richtiges und defensives Verhalten im alpinen Gelände bringen, und dazu braucht es Ausbildung und Erfahrung, die vor allem durch die professionelle Anleitung und Führung mit einem Bergführer oder Wanderführer gewährleistet ist“, erklärte Hanno Dönz, Obmann des Vorarlberger Bergführerverbands.
„Die Naturfreunde als einer der größten Freizeitanbieter in Österreich fördern und begleiten Sport in der freien Natur und leben diesen auch vor“, sagt Naturfreunde-Geschäftsführer Günter Griesser: „Wir denken auch, dass dem erhöhten Interesse aufgrund der Covid-Einschränkungen in allen Bereichen auch die Erfordernisse im Bereich Aus-, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten eine hohe Aufmerksamkeit zukommt. Sport und Bewegung in freier Natur, es gibt nichts vergleichbar Positiveres für Körper und Geist.“
„Solange keine Winterkurse durchgeführt werden können, nützen Sie die Online-Angebote zum Selbststudium und üben Sie im Schonraum“, empfiehlt Mario Amann, Geschäftsführer der Initiative „Sicheres Vorarlberg“.
„Neben der Mithilfe bei der Suche nach Verschütteten erhebt und dokumentiert die Alpinpolizei die näheren Umstände am Unglücksort, etwaige Unterstellungsverhältnisse innerhalb der Gruppe (wer führte) sowie schnee- und meteorologische Bedingungen. Diese Daten und Informationen dienen der Staatsanwaltschaft zur Beurteilung, ob eventuell fremdes Verschulden in Zusammenhang mit dem Lawinenabgang vorliegt oder nicht“, sagt Rainer Fitz von der Alpinpolizei.

Leitfaden zum Verhalten im freien Skiraum
1. Aus- und Fortbildung

Neben der richtigen Ausrüstung gehört auch das Wissen rund um Lawinen, Tourenplanung und den Umgang mit der Notfallausrüstung zur Grundausstattung eines jeden Wintersportlers abseits der Pisten. Dazu bieten Organisationen wie der Alpenverein, die Naturfreunde oder Sicheres Vorarlberg sowie Bergführer und Alpinschulen ein breites Angebot für Einsteiger genauso wie für erfahrene Tourengeher.
In einem Jahr, in dem viele Veranstaltungen aber auch abgesagt werden, sind alternative Formen des Wissenstransfers besonders wichtig. Daher bieten inzwischen alle Organisationen ein großes Angebot an Online-Lehrmaterial, z.B. „Sicheres Skitouren“ vom Österreichischen Alpenverein, an. Speziell mit Hilfe von Videos und gedruckten Materialien kann so im Selbststudium von zu Hause aus bereits vieles erlernt werden.

2. Geführte Touren
Für Tourengeher und Schneeschuhwanderer mit wenig Erfahrung im freien Skiraum empfiehlt es sich, einen Experten zur Seite zu holen. Hier gibt es verschiedene Optionen. Berg- und Skiführer sind hochqualifiziert und können bei Touren ganz individuell auf den Kunden eingehen, um ein sicheres Erlebnis am Berg zu garantieren. Aber auch geführte Touren alpiner Vereine oder eine Tour in Begleitung von erfahrenen Bekannten sind gute Möglichkeiten, sich langsam in den freien Skiraum vorzutasten. Schneeschuhwanderer können sich auch an einen ausgebildeten Wanderführer wenden.

3. Informieren und Tourenplanung
Vor jeder Tour im Gelände gilt es eine Tourenplanung zu machen. Grundlage dafür ist der Lawinenlagebericht. Der Lawinenwarndienst der Landeswarnzentrale informiert regelmäßig über die Schnee- und Lawinensituation im Lande und liefert täglich eine aktuelle Übersicht zur Lawinengefahr.

Dazu werden an zahlreichen automatischen Messstationen in den Gebirgsregionen des Landes schnee- und wetterspezifische Daten (zum Beispiel Temperatur, Schneehöhen, Windgeschwindigkeit oder Windrichtung) gemessen. Acht Beobachter liefern zudem wertvolle Messwerte aus den Regionen. Darüber hinaus fließen umfangreiche Wetterdaten und Prognosen, Rückmeldungen aus den Tourengebieten und Erkenntnisse von eigenen Erhebungen und Beobachtungen im Gelände ein. Auf Basis dieser Informationen wird der Lawinenlagebericht aktuell erstellt und veröffentlicht.
Neben der Lawinengefahrenstufe und den besonders gefährdeten Höhen- und Geländebereichen wird speziell auch das vorherrschende Lawinenproblem aufgezeigt. Alle aktuellen Informationen zur Lawinensituation im Land können über die Internetseite www.vorarlberg.at/lawine sowie über SMS, Newsletter oder die App Snowsafe kostenlos bezogen werden. Der tägliche Lawinenlagebericht (deutsch und englisch) wird im Regelfall bis 7.30 Uhr veröffentlicht.

4. Regelungen vor Ort
Viele der Skitoureneinsteiger bewegen sich im Bereich von gesicherten Pisten. Der Alpenverein appelliert deshalb an die Skigebiete, Pistenskitouren zu ermöglichen. Die Tourengeher sind für die Skigebiete auch potenzielle Kunden. Wichtig ist, dass die Pistengeher am Rand der Piste aufsteigen und damit sich und abfahrende Skifahrer nicht in Gefahr bringen. Allfällige Sperren sind einzuhalten (z.B. wegen Pistenpräparierung).

5. Handeln im Notfall
Bei einer Lawinenverschüttung zählt jede Sekunde. Ist die Gruppe größer, übernimmt ein Gruppenmitglied das Kommando und teilt die einzelnen Tourensportler ihren Aufgaben zu. Der Notruf kann sofort abgesetzt werden. Allein am Lawinenkegel entscheidet die Situation, ob sofort ein Notruf abgesetzt oder unverzüglich mit der Suche und Freilegung des Kopfes begonnen wird.

Wichtig:
• Eine Information an die Notrufleitstelle RFL unter der Nummer 144 ist immer abzugeben, auch dann, wenn keine Verschüttung oder Verletzung vorliegt immer. Unbeteiligte Dritte könnten den Abgang beobachtet haben und lösen eine Alarmierung wie oben beschrieben aus.
• Bei den bekannten W-Fragen sind vor allem das „Wo?“, „Was ist passiert?“, „Wie viele Personen sind betroffen/evtl. verschüttet?“ wichtig.
Auch bei rascher Alarmierung und kurzen Flugzeiten ist es für die Bergrettung nahezu unmöglich, binnen 15 Minuten am Einsatzort zu sein, die Person gefunden und den Kopf freigelegt zu haben! Daher ist es unbedingte Notwendigkeit, immer eine vollständige Notfallausrüstung (LVS, Sonde, Schaufel, Erste Hilfe, Biwaksack, Mobiltelefon) mitzuführen und den Umgang mit der Notfallausrüstung regelmäßig zu üben.
Vor allem ein dem Winter (sprich Unterkühlung) angepasstes Erste-Hilfe-Paket ist wichtig, weil neben dem Worst-Case-Szenario „Lawinenverschüttung“ auch viele andere Unfallszenarien bestehen. Bis die Bergrettung eintrifft, ist der Wärmeerhalt mit Rettungsdecke und Biwaksack auch bei herkömmlichen Skiverletzungen eine wichtige Sofortmaßnahme.
Geht in der Notrufleitstelle ein Notruf zu einem Lawinenabgang ein, setzt sich in kürzester Zeit eine gewaltige Maschinerie in Gang. Zeitgleich werden ein Notarzthubschrauber, der Polizeihubschrauber, die Such- und Lawinenhundestaffel und die betreffenden Ortsstellen alarmiert. Solche Einsätze sind durch die Vielzahl an Beteiligten und besonders unter den aktuellen COVID-19-Schutzerfordernissen äußerst komplex.
Sind die Rettungsmaßnahmen abgeschlossen, ist es Aufgabe der Alpinpolizei, die Unfallumstände zu erheben und zu dokumentieren. Diese Daten dienen der Staatsanwaltschaft und den Gerichten zur Beurteilung, ob eventuell fremdes Verschulden vorliegt oder nicht.
Zusätzlich werden allgemeine Umstände am Unglücksort erhoben und die schnee- und meteorologischen Verhältnisse erfasst. Diese Informationen sind Grundlage für die Erforschung der verschiedenen Unfallursachen und die damit verbundene Entwicklung und Ausarbeitung von Präventionskonzepten.

Keine Motor Freizeit Trends News mehr verpassen!Jetzt Newsletter kostenlos abonnieren.

Wir respektieren den Datenschutz! Eine Abmeldung vom Newsletter ist jederzeit möglich.

An welche Email-Adresse sollen wir die Motor Freizeit Trends News senden?

MFT Jahresabo
Anzeige

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*